Hallo zusammen,
heute wird es etwas technisch – dafür eine kurze Vorgeschichte:
Für des Therapie-/Coachingboot war ich auf der Suche nach etwas mehr Autarkie. Nach der grundlegenden Erneuerung der elektrischen Anlage, war es nun Zeit sich den Energielieferanten genauer anzunehmen.
Als einzige Energiequelle war bisher eine alte Starterbatterie im Einsatz, die durch einen Defekt des rückspeisenden Außenbordmotor mit bis zu 26 Volt ungeregelt „verblasen“ wurde. Darüberhinaus wird der Motor eh nur kurzzeitig zum Ein- und Auslaufen aus dem Hafen eingesetzt.
Ein anderer Ansatz musste her und dazu gab es zwei Möglichkeiten die Bordbatterie besser zu unterstützen:
- Landstromversorgung
- Photovoltaik als Insellösung
Da der Landstromansatz die Batterie nur direkt im Hafen unterstützt kam für mich nur der PV-Ansatz in Frage.
Photovoltaik im Offgrid-Betrieb – das war eine neue Herausforderung für mich, denn bis dato hatte ich mich zwar mit PV-Anlagen für Gebäude beschäftigt, dieser Bereich hat aber schon aus räumlichen Gründen ganz andere Rahmenbedingungen:
- Flexibilität statt Festmontage
- Betrieb mit nur einem Modul – flexibel und nicht starr!
Die Anfänge – die Idee
Die Neptun 22 liegt mit der Bugseite nach Südwesten ausgerichtet. Eine Montage auf Deck kommt aufgrund der darüber hängenden Persenning nicht in Frage.
Da ich überwiegend am Nachmittag an Bord gehe, war die Montage an der nach Osten zugewandten Backbordseite im Heckbereich hängend an der Reling der einzige sinnvolle Platz. Für die Borddurchführung der Kabel wurde der Weg durch die Ablage gewählt, da dort eh auch schon das Lautsprecherkabel nach außen durchgeführt wird – es musste halt nur ein wenig mehr auf die richtige Größe aufgebohrt werden.
Die Auswahl – die Technik
Das Modul
Ein Modul zu Unterstützung der Batterie – da reichen 50 Watt wohl zu genüge. P = U · I kommt zur Anwendung = 50 Watt / 12 Volt = 4,16 Ampere. Mein im Auto fest verbautes CETEK MXS 5.0 Ladegerät schafft ja auch gerade mal 5 Ampere. Und das reicht. Anmerkung: das waren die ersten Ansätze und ich wurde schnell eines Besseren gelehrt.
Schnell bestellt bei eBay gesucht und bestellt: flexibles PV-Solarmodul, ETFT-beschichtet, 50 Watt, 50,- Euro – seriöser Anbieter. Gerade hier ist es wichtig zu wissen – Watt benötigt Fläche! Es gibt eBay-Anbieter aus Fernost, bei denen ein DIN A4 großes Modul mit 200 Watt deklariert wird. Finger weg, denn das ist Lug & Trug. Daumennagel: ein mit 100 Watt deklariertes Panel sollte ungefähr 100 x 60 cm groß sein.
Der Regler
Einfache PV-Regler sind recht günstig, gerade PWM-Regler beginnen bei 10,- Euro. Das war auch mein Einstieg – kam aber damit mit meinen Anforderungen recht schnell an die Grenzen (später mehr dazu). Bestellt bei PEARL inkl. 4 Meter MC4-Solar-Anschlusskabel.
Das 50 Watt-Modul
Das erste Modul war ein Glücksgriff, denn es hat alles gepasst, obwohl ich bis dato noch nicht das Wissen von heute hatte:
- Pmax: 50 W
- Imp: 2,86 A
- Vmp: 17,5 V
- Isc: 3,05 A
- Voc: 21,4 V
Dazu hatte dieses Panel auch eine robustere ETFE statt nur eine PET-Beschichtung.
Im ersten Moment dachte ich nur an die Ladeerhaltung – jetzt änderte sich der Gedanke, denn die alte Kühlbox frisst alleine schon ca. 40 Watt. Nichts desto trotz lieferte das 50er die versprochenen Werte.
Der neue Regler
Wer sich mit der Thematik tiefer auseinandersetzt kommt unweigerlich irgendwann auf die Reglerthematik. Eingestiegen mit dem günstigsten aller Variationen – was für die Ladeerhaltung in Verbindung mit dem 50 Watt Modul zu 100% gereicht hätte, wollte ich mehr aus dem Modul kitzeln. Das geht mit anderer Technik – allerdings 10 x teuerer als dieser einfach PWM. Ein MPPT-Regler musste her.
PWM vs. MPPT
Der Knackpunkt des Unterschieds ist: Bei einem PWM-Regler wird der Strom knapp über der Batteriespannung aus dem Panel gezogen. Während bei einem MPPT-Controller der Strom bei der „maximalen Leistungsspannung“ des Panels entnommen wird (stell Dir einen MPPT-Controller als einen „intelligenten DC-DC-Wandler“ vor). Die Spannung wird beim PWM gewandelt auf die Ausgangsspannung, die Stromstärke nur 1:1 durchgereicht. Beim MPPT ist das anders – bei diesem wird die Stromstärke ebenso umgewandelt. Einfaches Beispiel: Panel liefert 24 Volt mit 4 Ampere:
- PWM: aus 24 Volt wird 12 Volt, die 3 Ampere werden durchgereicht. Ergebnis am Ausgang: 12 Volt, 3 Ampere
- MPPT: aus 24 Volt werden 12 Volt, zeitgleich werden in aufwändiger Technik aus den 3 Ampere jetzt 6 Ampere. Ergebnis am Ausgang: 12 Volt, 6 Ampere.
(mehr Infos dazu hier und hier).
Der VICTRON MPPT 75/15
Beim MPPT habe ich mich aufgrund der großen Verbreitung und der guten Rezensionen für den VICTRON MPPT 75/15 entschieden. Zunächst hatte ich den kleinen Bruder MPPT 75/10 im Auge, habe mich aber dann doch eine Nummer größer entschieden. Wer weiß was noch kommt. Die erste Zahl steht bei VICTRON immer für die maximale Voltzahl, die das Gerät abkann, die zweite Zahl für den maximalen Strom – Input & Output. Hier also maximal 75 Volt und maximal 15 Ampere von dem PV-Modul. Bei mir schnell gerechnet: nur ein Modul. 21,4 Volt und knappe 3 Ampere vom Modul sind bei mir weit unter den maximalen Daten.
Auch war mir wichtig – SMART muss er sein. Da kam dann nur die smarte Bluetooth-Variante in Betracht. Vom „alten“ PWM-Regler war ich ja nur das Display gewöhnt – lädt oder lädt nicht, Batteriespannung, Batterieart, Load-Ausgang, Ende.
Die richtigen Einstellungen für die VARTA Blue Dynamic E23
Auch das war am einfachen PWM einfacher – die Einstellungen für das Ladeverhalten. Darum kostet der MPPT von Victron auch ein wenig mehr. Die Daten zur Einstellung beim MPPT von Victron über die App für eine herkömmliche Bleisäure-Starterbatterie VARTA Blue Dynamic E23 12 V, 70 Ah (570412063313) direkt vorn VARTA:
- Absorption (BULK): 14,4 Volt
- Erhaltung (FLOAT): 13,4 Volt
- Ausgleich: DEAKTIVIEREN
Der Batteriewächter
Monitoring macht Spaß – von daher musste auch ein Batteriewächter her, der „Batterie Monitor BM6“ bei AliExpress schnell bestellt war. Natürlich 2 x – einer muss auch ins Auto! 😉
Der kurze Schockmoment
Es ist ja auch klar, dass wenn alles so reibungslos läuft irgendwann ein Punkt erreicht ist, an dem es nicht mehr so rund läuft. Nach dem das Schiff mittlerweile gekrant im Wasser lag und der Batterie Monitor verbaut war, wollte ich mal überprüfen, was denn die Lichtmaschine vom Außenbordmotor so bringt.
Da blieb mir glatt die Luft weg: 16,6 Volt kommen von der Lichtmaschine bei der Batterie an. In der Kurzschlussspannung gemessen: 28 VOLT!!!!
Das war eindeutig zu viel! Motor aus! Sofort! Abklemmen des Motors von der Batterie, Ursachenforschung betreiben, neuen Wechsler von Yamaha besorgen.
Die größte Sorge der kommenden Tage – hat der Spannungsimpuls was im Schiff geschreddert? Was ist mit Funk? Was ist mit Router, was ist mit GPS und vor allem – was ist mit dem MPPT? Keine Aufzeichnung mehr? Nach Bangen in den nächsten drei Tagen war klar – nichts kaputt! die Aufzeichnungen vom MPPT wurden für die Tage gestoppt, an denen ich die Batterie aufgrund des defekten Wechslers immer mal wieder kurzzeitig vom Netz genommen habe. Merke beim MPPT und auch dem PWM: zuerst die PV-Verbindung kappen, dann die Batterie. Zuerst die Batterie verbinden, dann die PV!
Zum guten Glück hatte ich auch noch eine ausgemusterte aber funktionierende baugleiche VARTA Starterbatterie zum Austausch in der Garage stehen.
Die gelieferten Daten des 50 Watt-Moduls in Verbindung mit dem MPPT 75/15
So weit so gut, aber jetzt war klar – ich brauchte und wollte mehr Power! Leider war der Verkäufer vom 50er gerade mit 100er Modulen ausverkauft, da dachte ich mir – falsch machen kannst Du ja nix. Auch das war ein großer Irrtum.
Das 100 Watt-Modul – der Fehlkauf
Das mit dem neuen Modul fing schon gut an – ausgelobt war ein ETFE-Modul, geliefert wurde ein PET. Das war die erste Ernüchterung.
Ich wollte mehr aus dem neuen 100er Modul raus kitzeln – aber es kam nichts! Warum? Es war mein Fehler, aber schauen wir uns die Daten vom neuen 100er-Panel einmal genauer an:
- Pmax: 100 W
- Imp: 6,25 A
- Vmp: 18 V
- Isc: 6,87 A
- Voc: 19,2 V
Im Vergleich zum 50 Watt-Panel war das 100 Watt Panel vom Voc und auch vom Vmp deutlich unter den Werten des 50er-Panels. Dies hat in der Verbindung zum MPPT entsprechende Nachteile, denn ein MPPT lebt von seiner Arbeit stets das Optimum aus einem Panel zu kitzeln. Hier ging das aber nicht, weil das Panel schon so auf 12 Volt dressiert war, dass hier ein reiner PWM-Regler seine Arbeit effektiv verrichten kann, ein MPPT-Regler aber fast keine Ansätze zur Optimierung findet.
Und noch ein Problem hat sich mit dem 100er aufgezeigt:
“Der MMPT 75/15 beginnt mit dem Ladevorgang, wenn die PV-Spannung 5V höher liegt als die Batteriespannung. Sobald der Ladevorgang begonnen hat, muss die PV-Spannung zum Fortsetzen des Ladevorgangs konstant 1 V höher liegen als die Batteriespannung.“
Wenn man davon ausgeht, dass der MPPT 75/15 Batteriespannung + 5 Volt benötigt um seine Tätigkeit zu beginnen, muss das Panel mindestens 13 Volt + 5 Volt = 18 Volt zum MPPT bringen, dass dieser überhaupt zum Laden beginnt. Mit Vmp: 18 V und Voc: 19,2 V war dieses Panel also denkbar ungeeignet für den Einsatz am MPPT 75/15 von Victron.
Fazit: das 100 Watt-Panel ist nicht schlecht und durch seine niedrigen Voc- und Vmp-Werte bestens für den Einsatz für einen einfachen PWR-Regler oder zum Anschluss an eine PowerStation geeignet. Aber eben nicht an einem MPPT! Ich werde es dennoch für meine PowerStation behalten.
Ich war also noch nicht am Ende meiner Reise angekommen, wusste ich doch aufgrund der (durch Zufall nicht Wissen beim Kauf) hohen Spannungen und die dadurch guten Werte des 50 Watt-Moduls, dass es besser geht.
Das 130 Watt-Modul – endlich am Ziel angekommen!
Nach der Ernüchterung und dem Lehrgeld (was ich für die Module bisher bezahlt habe) ging meine Reise auf der Suche nach einem flexiblen Modul mit ETFT-Beschichtung sowie hohen Voc- & Vmp-Werten weiter – und ich wurde fündig – mit dem ECO-WORTHY 130 Watt:
- Pmax: 130Wp
- Voc: 24,5V
- Vmp: 21,1V
- Imp: 6,16A
- Isc: 6,50A
Bis jetzt scheine ich da angekommen zu sein, wo die Reise enden sollte. Jetzt gilt es zu schauen und auf Zeit zu beobachten, ob die Leistung genügt. Allerdings geht jetzt die Reise weiter, denn die alte Blei-Starterbatterie ist für die PV-Zyklusladungen denkbar ungeeignet. Die nächste Reise geht nun zur richtigen Batterie (AGM) – vermutlich aber erst in der nächsten Saison.
Ich hoffe diese Erfahrungen helfen jemandem weiter – ich habe viel daraus gelernt und weiß jetzt, auf was ich achten muss und welche Komponenten gut zueinander passen.
Abseits von Coaching & Therapie, aber dennoch lehrreich.
Alles Gute, Euer
Rouven M. Siegler
PS: Ich bin offen für Veränderungen – sollte also dem einen oder anderen ein Fehler auffallen, so setzt Euch bitte mit mir in Verbindung. Ich lasse die Kommentarfunktion offen. Auch wenn Ihr Fragen habt – ich helfe Euch gerne.